Wenn sich das Konzert nicht an den Rand eines turbulenten Arbeitstages zwängt, wenn das Publikum nicht abgekämpft seinen Sitzplätzen zueilt, wenn rote Gesichter nicht vom Kampf um einen Parkplatz künden, sondern von zu langem Sonnenbaden – dann verbindet sich der Konzertbesuch mit Urlaub. Sommerzeit ist Festivalzeit. Auch für das RSO Wien.
Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien reist im Sommer und Frühherbst 2018 zum ältesten und zum jüngsten Festival Österreichs: zu den 1920 gegründeten Salzburger Festspielen und zur zweiten Ausgabe von "HERBSTGOLD" in Eisenstadt. Aber auch beim Carinthischen Sommer in Villach gastiert das RSO Wien, und Ende September folgt die ehrenvolle Einladung, das Abschlusskonzert beim Beethovenfest Bonn zu spielen.
Salzburger Festspiele: Preisträgerkonzert des YCA Award 2017
Aber der Reihe nach. Wie in den Jahren zuvor, präsentieren die Salzburger Festspiele auch 2018 denjenigen Dirigenten, der im Vorjahr den Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award für sich entschieden hat. Die Riege der Preisträger – von Mirga Gražynitė-Tyla über Duncan Ward bis zu Lorenzo Viotti – kann sich sehen lassen. Der YCA in Salzburg ist ein Empfehlungsschreiben erster Güte, und wer ihn gewinnt, darf im Folgejahr ein Konzert mit dem RSO Wien bestreiten. 2018 freut sich das Orchester auf Kerem Hasan, einen jungen britischen Dirigenten, der heute bereits mit den großen englischen Orchestern arbeitet, aber auch mit dem Tonhalle-Orchester Zürich und den Festival Strings Lucerne. Kerem Hasan dirigiert das Violinkonzert von Jean Sibelius (Solist: Augustin Hadelich) sowie die 10. Symphonie von Dmitrij Schostakowitsch, ein Werk, in dem der Komponist noch im Todesjahr Stalins 1953 ein sarkastisches Porträt des Diktators zeichnete.
Salzburger Festspiele: Gottfried von Einems "Der Prozess"
Keine zwei Wochen später erklimmt das Gottfried-von-Einem-Jahr bei den Salzburger Festspielen einen weiteren Gipfel: HK Gruber, als Komponist der bedeutendste Schüler Einems, hat sich immer wieder für die Musik seines Lehrers ins Zeug gelegt, insbesondere für Einems Kafka-Oper "Der Prozess", da gerade dieses Werk nie zuvor mit jener Schärfe realisiert worden sei, die Einem sich gewünscht habe. Bei seiner zweiten, 1949 geschriebenen (und bei den Salzburger Festspielen uraufgeführten) Oper versteckte Einem die Doppelbödigkeit der Erzählung hinter einer vermeintlich einfachen Tonsprache, die das Unheimliche der nicht fassbaren Anklage an Josef K. umso greller beleuchtet. Dass Gottfried von Einem kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und mitten in der McCarthy-Ära Kafkas "Prozess" auch als Warnung vor staatlicher Willkür las, darf als ausgemacht gelten. Die konzertante Aufführung bei den Salzburger Festspielen wird im November 2018 beim Festival Wien Modern wiederholt.
Carinthischer Sommer: Bernstein und Einem
Auch der Carinthische Sommer verneigt sich heuer vor Gottfried von Einem, wenngleich das traditionsreiche Festival – gegründet 1969 im gleichen Jahr wie das RSO Wien – dem österreichischen Komponisten einem zweiten Jubilar gegenüberstellt: Leonard Bernstein, der ebenfalls 1918, also vor 100 Jahren, geboren wurde. Mehr...
HERBSTGOLD - Festival in Eisenstadt: Krieg und Frieden
Das Festival "HERBSTGOLD“ steht 2018 unter dem Motto "Krieg und Frieden". Unter der Leitung des jungen russischen Dirigenten Valentin Uryupin spielt das RSO Wien mit Arabella Steinbacher am 07. September in Eisenstadt. Mehr...
Abschlusskonzert des Beethovenfestes Bonn 2018
Höhepunkt des RSO-Festivalsommers ist die Einladung durch das international renommierte Beethovenfest Bonn, seit 2014 geleitet von Wagners Urenkelin Nike Wagner. Auf Wunsch des Dirigenten Michael Boder, der mit dem RSO Wien zuletzt im Theater an der Wien "Der Besuch der alten Dame" aufführte und dafür in der in- und ausländischen Presse Begeisterung hervorrief, tritt das RSO Wien beim Bonner Abschlusskonzert auf: nicht mit Beethoven, sondern mit der 9. Symphonie von Anton Bruckner, dem dreisätzigen Torso, den der Komponist "dem lieben Gott" zueignete und der die Nachwelt bis heute inspiriert. Zur skulpturalen Klangwelt des oberösterreichischen Komponisten passt ein Amerikaner, der mit Bruckner eine Gemeinsamkeit aufweist: die Fähigkeit, Bewegungsenergie nicht nach vorne, sondern nach innen zu richten. Die Rede ist von Morton Feldman, der Stockhausen einst zurief: "Don’t push the sounds!" Ein wunderbares Motto für einen Festspielsommer mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien.