Metzmacher, Fray / Gershwin, Schönberg, Ives, Zimmermann
David Fray |
piano
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Ingo Metzmacher |
conductor
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Harald Hoffmann

Arnold Schönberg und George Gershwin standen sich näher, als die himmelweiten Unterschiede zwischen »Porgy and Bess« und »Moses und Aron« ahnen lassen: Als beide Komponisten 1936 Nachbarn in West Los Angeles wurden, auf dem Tennisplatz die Kräfte maßen und Gershwin den Erfinder der Zwölftontechnik auf einem Ölgemälde verewigte, wuchs eine Freundschaft heran, die auf einer großen Wertschätzung des Kollegen fußte. Dass Gershwin mitsamt seiner Vorliebe für den Jazz im ehrwürdigen Konzertleben als halbseiden eingestuft wurde, missbilligte Schönberg: »Viele Musiker halten George Gershwin nicht für einen ernsthaften Komponisten. Aber sie sollten erkennen, dass er doch ein Komponist ist, ein Mann, der in der Musik lebt und alles, ernsthaft oder nicht, gründlich oder oberflächlich, durch das Medium Musik ausdrückt, weil es die ihm angeborene Sprache ist.«
Ingo Metzmacher, mit dem das RSO Wien eine langjährige und treue Partnerschaft verbindet, präsentiert die befreundeten Antipoden Seit’ an Seit’ im Wiener Konzerthaus. Gershwins »Cuban Ouverture« ist ein zehnminütiges Feuerwerk, zu dem sich Gershwin bei einem Aufenthalt in der Metropole Havanna 1932 inspirieren ließ. Zehn Jahre später schrieb Schönberg sein einziges Klavierkonzert und spielte dabei mit den Muskeln: Nie wieder sollte die Zwölftontechnik mit so stolzem Furor auf das Publikum niederprasseln. Dabei verbergen sich in dem einsätzigen Werk vier Abschnitte, deren Überschriften in wenigen Worten Schönbergs biografische Situation umreißen: Life was so easy – Suddenly hatred broke out – A grave situation was created – But life goes on.
Von der »Cuban Ouverture« zum deutschen Komponisten Bernd Alois Zimmermann, dessen Geburtstag sich 2018 zum 100. Mal jährt. Zwar reiste Zimmermann nie nach Südamerika, fasste aber eine große Zuneigung zu den Tänzen und Rhythmen des Kontinents. Die Ballettmusik »Alagoana – Caprichos Brasileiros«, in der ein indianischer Schöpfungsmythos erzählt wird, wurde 1955 im Opernhaus Essen uraufgeführt. Der Komponist war trotz seiner Besuche der Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt ab 1948 zunächst mit Arrangements, Bühnen- und Filmmusiken aufgetreten. Und während er schon Kurse bei dem Schönberg-Schüler René Leibowitz belegte, entstand mit »Alagoana« eine ausgesprochen farbenfrohe, tänzerische und auch humorvolle Bilderfolge, mit Anklängen an Bartók, Strawinsky und Ravel, gleich einem völlig aus den Fugen geratenen Villa-Lobos. Doch schon in diesem »Frühwerk« blitzen die großen spektakulären Werke Zimmermanns auf: Im vorletzten Satz der Ballettsuite überlagern sich Rumba, Boogie-Woogie und Marsch. Der Weg von »Alagoana« hin zur Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in den »Soldaten« währte keine zehn Jahre.
Christoph Becher