Abgesagt: Storgårds, Gerstein / Schostakowitsch, Adès
Kirill Gerstein |
piano
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John Storgårds |
conductor
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Marco Borggreve

In Dmitrij Schostakowitschs letzter Symphonie, der fünfzehnten, erklingt nach zwei Minuten die bekannte Haudrauf-Melodie aus Rossinis „Wilhelm Tell“-Ouvertüre. Doch der Übermut der Melodie schlägt ins Lächerliche um, indem sie von den Streichern (Rossini-Original) in die Blechbläser verlagert wird; zu Recht spricht Schostakowitsch-Kenner Krzysztof Meyer von „Feuerwehrsorchester“. Das Zitat führt in die Irre.
Der 64-jährige Komponist schrieb die Symphonie – im Anbetracht seines angeschlagenen Gesundheitszustandes – erstaunlich rasch zwischen April und Juli 1971. Seinem Kollegen Boris Tischtschenko schrieb er, er wolle eine „fröhliche Symphonie“ komponieren. Es kam dann aber ganz anders.
Denn der letzte Satz der Symphonie hebt mit einem Zitat aus Wagners „Götterdämmerung“ an: den dunkel raunenden Akkorden der Nornen, jener weisen Wesen, die das goldene Seil des Weltgeschehens weben. Die Ersten Violinen scheinen sich alsbald in den Tristanakkord hinein zu tasten, statt dessen folgt eine geradezu volkstümliche Weise, geradlinig begleitet, als pfiffe da einer, der sich nichts hat zu Schulden kommen lassen, sein Lied für sich allein. Oder weil er durch den dunklen Wald geht, um die Angst zu vertreiben. Am Ende des Werkes liegt das Lied mit sordinierten Streichern wie unter Glas, das zu zerbrechen scheint, wenn scharfe Zehntonakkorde im Blech niederschlagen. Was die beiden Mittelsätze der Symphonie bereits vorführten, wird nun manifest: Alle Melodik gefriert im nackten Rhythmus des Schlagzeugs. Der musikalische Gehalt ist ausgebrannt.
Schostakowitschs letzte Symphonie ist mit ihrem düsteren Abschluss das genaue Gegenteil der Symphonien 2 und 3, die der finnische Dirigent John Storgårds ursprünglich in diesem Musikvereins-Konzert dirigieren wollte. Corona hat der Aufführung dieser beiden selten zu hörenden Chorsymphonien den Garaus gemacht. Geblieben ist das neue Klavierkonzert von Thomas Adès, das mit seiner brillanten Virtuosenattitüde auf der Höhe der Zeit bereits einen atemberaubenden, bejubelten Lauf durch die Musikmetropolen der Welt hinter sich hat: Der Kritiker der „Times“ schrieb nach der Londoner Premiere, zuletzt habe er solche Ovationen für Klaviermusik nach Horowitz‘ Chopin-Interpretationen erlebt. Es spielt – wie geplant – der Pianist Kirill Gerstein.