Gastspiel Graz
Markus Poschner |
conductor
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Kaupo Kikkas

Anton Bruckners »Dritte« gilt als jenes Werk, in der er seinen ureigenen Typus der Symphonie erstmals zu voller Blüte entwickelte. Merkwürdig allerdings, dass er gerade mit ihr erst spät »fertig« wurde: Die »Dritte« durchlief einen langwierigen Transformationsprozess, der zunächst parallel zur Komposition der Symphonien Nr. 4 und 5 stattfand und dann nochmals in der Zeit der »Achten« aufflammen sollte. Ergebnis waren die im Wesentlichen drei Fassungen der »Dritten«: Was als von der Taktanzahl (rund 2.200!) umfangreichstes Werk Bruckners begonnen hatte, wurde in zwei Schritten um jeweils etwa 200 Takte kürzer – aber nicht nur durch Striche, sondern auch durch Umarbeitung und Neukomposition einzelner Abschnitte. Von 2.200 auf rund 2.000 und schließlich auf rund 1.800 Takte. Zwischen der beinahe ausufernden »Wagner-Symphonie« von 1873 und der kompakten, lange Zeit so gut wie ausschließlich gespielten Spätfassung von 1889 liegt allerdings eine Version, die ihre eigenen Meriten hat: Zielstrebiger und klarer als die Urgestalt, aber noch nicht so rigoros eingedampft wie die letzte, ist sie alles andere als ein bloßer Zwischenschritt oder gar ein Kompromiss, sondern besitzt ein ganz eigenes, kühnes Profil. Und eine Besonderheit, die einfach alle kennen müssen, die Bruckner lieben: Für das Scherzo hat Bruckner nämlich eine Coda nachkomponiert, deren trotzige Widerborstigkeit über alle Anfeindungen triumphiert. Kein Wunder, dass der junge Gustav Mahler diese Fassung für die stärkste hielt!
Walter Weidringer