Milhaud: La mère coupable
Oper in drei Akten
nach dem Stück "L'autre Tartuffe ou la mère coupable" von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais
Libretto von Madeleine Milhaud
In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Markus Butter |
baritone
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Mireille Delunsch |
soprano
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Andrew Owens |
tenor
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Frederikke Kampmann |
soprano
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Aris Argiris |
baritone
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Angelika Kirchschlager |
mezzo-soprano
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Thomas Mayer |
baritone
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Herbert Föttinger |
production
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Walter Vogelweider |
stage
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Birgit Hutter |
costumes
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Emmerich Steigberger |
lighting
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Ulrike Zemme |
dramaturgy
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Leo Hussain |
conductor
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Pierre Augustin Caron, später »de Beaumarchais«, war ein Glücksritter, wie er im Buche steht: Musikalischer Uhrmachermeisterssohn, erfolgreich als Erfinder und indem er in Hofbeamtentum und Adelsstand einheiratete, französischer Geheimagent in London, Waffenschmuggler, Pamphlete- und Stückeschreiber. Als Privatperson hatte Beaumarchais gewaltig von der Gunst Ludwig XV. und der Pompadour profitiert, als Literat erfand er mit Figaro in »La Précaution inutile ou le Barbier de Séville« (Paris 1775) eine Figur aus dem Kleinbürgertum, die keine Gelegenheit zur Aufmüpfigkeit auslässt. Dem »sequel«, »La folle journée ou le mariage de Figaro«, wurde von Ludwig XVI. der Weg auf die Bühne versperrt, angeblich mit den Worten: »Wenn ich dieses Stück genehmige, kann ich gleich die Bastille einreißen.«
Nach Jahren setzte »Netzwerker« Beaumarchais die Aufführung dennoch durch, das Bürgertum jubelte, anhand des »ius primae noctis« auf der Bühne adelige Vorrechte in Frage gestellt zu sehen. Hat »Figaros Hochzeit« wirklich mitgeholfen, die Französische Revolution von 1789 herbeizuführen? Beaumarchais war unter denen, die den Umsturz begrüßten, sich aber rasch auf der Verliererseite wiederfanden. Von allen seinen Sprechstücken erzielte »L’autre Tartuffe ou la Mère coupable« von 1792 die geringste Resonanz: ein weiterer Aufguss der »Figaros Mutterwitz contra Adelsdünkel«-Thematik, nicht mehr in Spanien angesiedelt (wie bei »La folle journée«, oberflächlich Brisanz-mindernd), sondern in Paris, aber wieder mit Suzanne an Figaros Seite und Graf/Gräfin Almaviva als Kontra-Paar.
Gut 30 Jahre mögen vergangen sein, seit dem zuerst von Paisiello, dann von Rossini veroperten »Barbier von Sevilla«, 20 Jahre sind es seit »La folle journée», aus der da Pontes und Mozarts »Le nozze di Figaro« wurde. Einer Liebesnacht der Gräfin mit Chérubin, der mittlerweile am Feld der Ehre den Tod gesucht-gefunden hat, entspross Léon, dem Grafen unterschoben und von ihm seit je misstrauisch beäugt … Léon findet nun an Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit Gefallen – und an Florestine, die der Graf außerehelich in die Welt gesetzt hat. Figaro und Suzanne haben folglich alle Hände voll zu tun, damit die richtigen Geheimnisse gewahrt bleiben und die jungen Leut’ am Ende zueinanderkommen.
Ihren Weg auf die Opernbühne fand »La Mère coupable«, im Gegensatz zu den anderen »Figaro«-Komödien, die zudem musikalische Fortsetzungsgeschichten anregten, erst 1966, mit Musik eines mit Ausnahme einiger weniger Effektstücke (in Anbetracht seines Werkkatalogs mit über 400 Einträgen) halb vergessenen Komponisten: Darius Milhaud, »Neutöner« der 20er Jahre, »Les Six« zugeschlagen.
Die Modernität seiner aufs Äußerste komprimierten »opéras-minutes« war verflogen; die halb-oratorischen, »multimedialen« Historienspiele, die Milhaud als Genre gemeinsam mit Paul Claudel (religiöser Background! zusätzlich suspekt!) erfunden hatte, kannte »man« zur Genüge. Als einer, dem Musik-Schreiben zweite Natur war, machte Milhaud, nun Mitte 70, dennoch weiter – anspielungsreich zitierend (Mozart und Rossini, klar), dezent »jazzend« wie eh und je, und sich in seiner fürs Grand Théatre de Genève komponierten Beaumarchais-Oper dem Sentiment der Vorlage nicht verschließend, wenn das in die Jahre gekommene gräfliche Paar sich am Ende der immer noch lebendigen beiderseitigen Gefühle bewusst wird …
Chris Tina Tengel