Peer Gynt mit dem RSO Wien am Theater an der Wien
Das Urbild des kraftstrotzenden Antihelden stammt weder aus dem Frühwerk von Bertolt Brecht noch aus einem Hollywood-Blockbuster, sondern aus einem norwegischen Märchenbuch: Peer Gynt. Ein Egomane, der alle vor den Kopf stößt, der nicht mitspielt, der große Pläne mit kleinen Bosheiten verfolgt, der sich nicht verführen lässt: nicht von Liebe, nicht von Macht, nicht einmal von den Versprechungen eines finsteren Geheimbundes. Der norwegische Nationaldichter Henrik Ibsen beförderte die Sage 1867 in die Liga der Weltliteratur, die zum Bühnenstück verfasste Musik von Edvard Grieg schmeichelte sich in die Ohren der Klassikfreunde.
Mitten im nationalsozialistischen Deutschland griff Werner Egk erneut nach dem Stoff. Der Komponist war bei den Olympischen Spielen 1936 für seine Orchestermusik geehrt worden und sicherte sich allmählich das Wohlwollen der Machthaber. Obwohl die Uraufführung von Peer Gynt am 1. September 1938 an der Berliner Staatsoper auf wenig Gegenliebe gestoßen war, notierte Propagandaminister Goebbels: „Ich bin ganz begeistert und der Führer auch.“
Werner Egk überlebte NS-Deutschland wie auch die Diskussion darüber, wie sehr er sich der Diktatur angedient habe. Als der Komponist Konrad Boehmer ihn 1969 der Mittäterschaft im braunen Regime beschuldigte, wehrte er sich juristisch. Das Musikleben der BRD gestaltete er in wichtigen Positionen beim Bayerischen Rundfunk, Deutschen Komponistenverband, Deutschen Musikrat und der GEMA; er galt als „Komponist des Wiederaufbaus“. Dass Egks Werke heute selten erklingen, ist weniger den politischen als den ästhetischen Zeitläuften zuzuschreiben. Mit der musikalischen Avantgarde der 1950er Jahre wollte er nichts zu tun haben, und so entkoppelte er sich künstlerisch von der Gegenwartsmusik.
Lukas Beck
Das war in den 1930er Jahren noch anders. Das Publikum der Peer Gynt-Uraufführung verstörte vor allem die Nähe zur Musik von Kurt Weill, der als Avantgardist, Kommunist und Jude zu den Lieblingsfeinden der Nazis gehörte. Alles, was nach Dreigroschenoper klang – und in Peer Gynt ist das nicht wenig –, galt den Nationalsozialisten als „entartet“.
Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien spielt die farbenprächtige und stilistisch vielschichtige Musik von Werner Egks Peer Gynt bei der Neuproduktion des Werks im Theater an der Wien (Premiere: 17. Februar 2017). Die Titelpartie übernimmt der dänische Bariton Bo Skovhus, der zuletzt den König Claudius in Hamlet am gleichen Haus mit großer Nachdrücklichkeit verkörpert hat. Und Regisseur des Abends ist niemand Geringerer als Peter Konwitschny; seine präzise gearbeiteten, immer aus der Musik konzipierten Inszenierungen haben in den vergangenen drei Jahrzehnten auf den deutschsprachigen Bühnen Maßstäbe gesetzt – auch in Graz, Wien und Salzburg. Auf seinen Peer Gynt darf man gespannt sein.
beyond - Mara Burmester