Opening Concert. Meister / Cerha
Cornelius Meister |
conductor
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Der Zyklus »Spiegel I – VII« von Friedrich Cerha gilt als Meilenstein der österreichischen Moderne der zweiten Hälfte des 20. Jahhrunderts. Ungebrochen in seiner Faszination ist noch heute dieses Funkeln und Glitzern der Orchesterklänge, dieses Verwandeln von Phänomenen wie Dichtheitsgraden oder Pulsation in Musik. Aber in welchem Umfeld entstanden diese monolithischen eineinhalb Stunden Orchestermusik? Avantgarde oder Moderne konnte in und seit den 50er-Jahren vieles bedeuten: Die Radikalität von Unbestimmtheit und Aleatorik in Auseinandersetzung mit Cage; oder die strenge Struktur von Serialismus und Darmstadt; oder improvisatorische Ansätze; oder grafische Notation und intermediale Aufbrüche, oder auch Fluxus und Happening. Und in all das hinein begannen die Komponisten Friedrich Cerha und György Ligeti vorerst unabhängig voneinander, sich auf den organisierten Klang als solchen zu konzentrieren, auf die sogenannten Klangflächen, um den später gebräuchlich gewordenen Begriff »Klangflächenmusik« zu paraphrasieren. Eigentlich sind das aber ständig sich verändernde, changierende Klangbänder, denen im Falle von Friedrich Cerha eine unheimliche dunkle Energie innezuwohnen scheint. Es ist nicht das Auffächern der Klangfeinheit als solches, die ihn interessiert, es ist eher das Aufspüren verborgenener Energie und Gewalt. Friedrich Cerha verfolgt letztlich also ein expressives Konzept mit damals gänzlich neu erfundenen musikalischen Mitteln. Und so können irisierend funkelnde Klangschwärme in den »Spiegeln« jederzeit langsam, aber unaufhaltsam kippen in mitleidslos vorwärtsdrängende Pulsation. Friedrich Cerha selbst merkte einmal an, wenn er die »Spiegel« heute höre, dann erkenne er, dass sie nicht möglich gewesen wären ohne die schrecklichen Erlebnisse des Kriegs. Vieles von Cerhas Nachdenken über Gewalt und Mensch, Masse und Individuum findet im Zyklus »Spiegel« unmittelbaren Ausdruck. »Zum einen sollte dieses Stück ein Spiegel meines damaligen musikalischen Denkens sein«, so Cerha, »und – obwohl das jetzt vielleicht ein wenig hochgegriffen ist – auch ein Spiegel der Entwicklung des menschlichen Wesens. Der Anfang des ersten Teils ist ja sozusagen ein Ur-Anfang.« Und gleich in diesem Welten-Anfang hört man dieses unheimliche, vorerst seltene, blockartige Rumoren, als kündigte sich gleich von der ersten Minute an ein Bedrohungspotenzial an, eine musikalische Energie, die jederzeit, wenn auch immer schrittweise, in einen Abgrund an Heftigkeit kippen kann.
(CS)