ORF Musikprotokoll
Concerto Grosso for Quartet and Orchestra
for symphonic orchestra
Roland Kluttig |
conductor
|
Sebastian Klein
Was bedeutet künstlerische Freiheit? Vielleicht wenn eine Auftragskom¬position internationale Erfolge feiert, unabhängig vom Anlass? Das gilt für das Stück »Jubelhemd« von Lisa Streich. Es wird vom ORF RSO Wien unter Roland Kluttig als österreichische Erstaufführung beim ORF musikprotokoll vorgestellt. Dazu treten neue Werke von Nicole Lizée, Bernd Richard Deutsch und George Lewis.
Lisa Streich bekam anlässlich des 250. Jubiläums der Königlich Schwedischen Musikakademie einen prestigeträchtigen Auftrag. Sie sollte ein fest¬liches Werk beisteuern. Die Schwedin überlegte, wie sie diese Vorgabe umsetzen könnte, »ohne sich zu verkaufen«. Zufällig sah Streich die Arbeit »Jubelhemd« des österreichischen Künstlers Markus Schinwald. Ein ungewöhnlich geschnittenes Hemd: Es lässt sich mit seinen nach oben gestreckten Armen ausschließlich in Jubelgeste tragen. Bezug auf dieses Kunstwerk zu nehmen, fühlte sich befreiend an – und so nannte sie ihr Werk denn auch »Jubelhemd«. Die Problematik des forcierten Jubelns wurde zum Thema der Komposition. Dieses »Concerto Grosso« wurde später zum Siegerstück des International Rostrum of Composers 2023, dem Song Contest der zeitgenössischen Musik.
Eine weitere österreichische Erstaufführung bezieht sich auf Gustav Klimt. Ein Künstler, dessen Freiheitsdrang sich im Slogan der Bewegung spiegelt, deren Gründungspräsident er war: »Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit« prangt über dem Eingang der Wiener Secession. Der österreichische Komponist Bernd Richard Deutsch bezieht sich in »Phantasma« auf Klimts Beethovenfries im Keller dieses Gebäudes und taucht musikalisch in diese Bildwelt ein.
Der Komplex Kunst und Freiheit bildet den thematischen Kern dieser musikprotokoll-Ausgabe. Darauf berufen sich zwei weitere musikprotokoll-Auftragswerke an diesem Abend: ein neues Stück der kanadischen Turntablistin und Komponistin Nicole Lizée sowie eine Uraufführung von George Lewis. Dabei richtet er seine Beschäftigung mit afrodiasporischer Musik in die Zukunft: »Eine spekulative Fiktion darüber, wie die Freiheiten einer kreolisierten Dekolonialität klingen könnten und wie wir Menschen mit diesen neuen Frei¬heiten leben könnten«, wie Lewis ankündigt.
Rainer Elstner