Meister, Schmitt / Haydn, Hosokowa, Strawinsky
Fassung von 1919
(Fassung von 1919)
Christian Schmitt |
organ
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Cornelius Meister |
conductor
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Studio Lipnitzky Paris
2015 fanden sich in einem von Noten überquillenden Raum des Rimski-Korsakow-Konservatoriums Blätter, die ein Jahrhundert lang als verschollen gegolten hatten: eine rund zehnminütige Komposition, die der damals 26-jährige Igor Strawinsky noch vor seiner Emigration aus Russland komponiert hatte. Der Komponist hatte "Chant funèbre" op. 5 nur bei der Uraufführung 1909 gehört; danach verlor sich die Partitur in den Revolutionswirren, sehr zum Bedauern ihres Schöpfers. In seinen Lebenserinnerungen schrieb er später, er wüsste zu gerne, "was ich damals unmittelbar vor dem ,Feuervogel' komponiert habe". Nun wissen wir es. Cornelius Meister dirigiert die österreichische Erstaufführung im Konzerthaus am 15. Februar 2018.
Im Konzert des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien folgt dem kleinen Trauermarsch der große "Feuervogel", jene Ballettmusik, mit der Strawinsky 1911 in Paris Furore machte. Strawinskys Musik für die "Ballets russes" hat – vom "Feuervogel" bis zum "Sacre" – Maßstäbe gesetzt. Die in allen Orchesterfarben schillernde, ebenso zauberhafte wie rhythmisch pointierte Musik rund um den bösen Zauberer Kastschej schubste den Komponisten über Nacht in die vorderste Reihe der europäischen Moderne.
Die zweite feurige Komposition im RSO-Konzert stammt von Joseph Haydn, dessen 59. Symphonie den Beinamen "Feuer-Symphonie" führt – wahrscheinlich zu Unrecht, denn das passende Theaterstück "Die Feuersbrunst", bei dem Teile aus Haydns Werk erklungen sein sollen, war zur Entstehungszeit der Symphonie (1768) noch nicht bis ins Schloss Esterhazy vorgedrungen. Dennoch bleibt eine unmotivierte Fanfare der Hörner im zweiten Satz rätselhaft. Sollte hier nicht doch ein Rest Bühnenmusik in Haydns Symphonie stecken? Wie auch immer: feurig ist diese Haydn-Symphonie in jedem Fall, weshalb sie ihren Namen behalten darf.
Im Abonnementkonzert erklingt nicht nur Strawinskys Trauermarsch zum ersten Mal in Österreich, sondern auch eine neue Komposition des japanischen Komponisten Toshio Hosokawa: "Umarmung – Licht und Schatten" heißt sein neues Orgelkonzert – ein echter Hosokawa, der fernöstliche Versenkung mit der Farbpalette der westeuropäischen Avantgarde verbindet. Während die Orgel, gespielt von Widmungsträger Christian Schmitt, den menschlichen Gesang verkörpert, versinnbildlicht das Orchester die Natur und das Universum. Hosokawa: "Ich sehe das Verschmelzen von Orgel und Orchester als Metapher für eine Umarmung zweier Menschen, daher der Titel des Werks."
Christoph Becher