Preisträgerkonzert Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award: Aziz Shokhakimov
Andrei Ioniță |
cello
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Aziz Shokhakimov |
conductor
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Andrei Ionita TVW2

Ein Cellokonzert, entstanden in Friedenszeiten in den USA, und eine Symphonie, ein halbes Jahrhundert später in der UdSSR komponiert, während des Zweiten Weltkrieges; geschrieben von zwei Komponisten, die für ihre Kunst die Heimat brauchten und in der Fremde an Heimweh litten: Gegensätze ebenso wie Gemeinsamkeiten bestimmen das Programm dieses Festspielabends, an dem das RSO Wien mit zwei Stars von morgen musiziert. Aziz Shokhakimov ist noch keine 30 und doch schon ein erfahrener Dirigent. Mit 14 gab er sein Debüt in der Usbekischen Nationaloper und gewann 2016 den Young Conductors Award der Salzburger Festspiele. So wie der 1994 geborene Cellist Andrei Ioniță zählt er zu den größten Talenten der jungen Generation. Merkwürdig, dass Antonín Dvořák das Violoncello als Soloinstrument lange Zeit nicht sonderlich geschätzt hatte. Erst seine amerikanischen Jahre 1892 bis 1895 brachten die Wende. Er war als Direktor des New Yorker Konservatoriums engagiert worden, um »dem Kontinent, den Kolumbus entdeckte, eine Neue Welt der Musik hinzuzufügen«. Neben großer Kammermusik und etwa der Symphonie »Aus der Neuen Welt« schrieb er dort als eines seiner bedeutendsten, beliebtesten Werke auch ein Cellokonzert, als wollte er alle früheren Einwände Lügen strafen. Die »amerikanischen« Einflüsse treten hier zurück und machen einer elegischen, stellenweise fast nostalgischen Grundhaltung Platz, die allerdings zum Klangcharakter des Soloinstruments perfekt passt und durch energisch strahlende Höhepunkte ausbalanciert wird. Glänzt Sergej Prokofjews populäre 5. Symphonie ähnlich selbstsicher und triumphierend? Oder macht sie, zumindest im Finale, nicht eher Angst mit dem Stampfen einer unaufhaltsam wirkenden Maschinerie? 1918 hatte Prokofjew wegen Revolution und Bürgerkrieg Russland den Rücken gekehrt, dann in den USA und in Frankreich Erfolge gefeiert, aber auch Krankheiten und Rückschläge erlebt. »Ich muss wieder russische Laute in meinen Ohren hören und mit Leuten von meinem Fleisch und Blut reden, damit sie mir zurückgeben, was mir hier fehlt: ihre und meine Lieder«, wurde ihm schließlich klar. 1936 ging er mit Frau und Söhnen für immer zurück – eine Entscheidung, an der die Familie zerbrechen sollte. Außerdem hatte sie auch künstlerisch einschneidende Folgen: Anfangs wurden ihm Rosen gestreut, später musste sich Prokofjew für seine Musik maßregeln lassen. »Mit der Fünften Sinfonie wollte ich ein Lied auf den freien und glücklichen Menschen anstimmen, seine schöpferischen Kräfte, seinen Adel, seine innere Reinheit«, gab er an – eine Hymne auf den Kommunismus? Nein. Denn jenseits der vielfach blechgepanzerten Klänge, die sich scheinbar erhaben und unantastbar durch die Tonarten winden, reißen die Gräben von Zwang, Diktatur und Krieg auf: Diese Musik ist nicht gealtert.
Walter Weidringer