ABGESAGT. Konzert
nach Gedichten von A. Károlyi und Kobayashi Issa
Vier Fragmente nach den Gedichten von Pál Gulyás
Nikita Boriso-Glebsky |
violin
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Luigi Gaggero |
cymbal
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Barbara Hannigan |
conductor
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Marco Borggreve

Drei Zuhälter zwingen ein Mädchen zur Prostitution, um ihre Freier ausrauben zu können. Das erotische Verlangen eines Mandarins aber ist so stark, dass er, obwohl längst tödlich verwundet, erst in den Armen des Mädchens sterben kann. Diese einst schockierende Balletthandlung inspirierte Béla Bartók zu einer kompromisslos expressiven, gleißenden Musik, deren Energie nie versiegt und das Geschehen gleichsam überlebensgroß schildert: Dissonanzen klirren, Rhythmen explodieren, Glissandi, Vierteltöne und Cluster lassen erschauern. 1926 in Köln führte das zu einem Premierenskandal mit nachfolgendem Aufführungsverbot. Ein Vierteljahrhundert später erging es György Ligeti mit seinem Concert Românesc ähnlich: Als Liebeserklärung an die rumänische Volksmusik und die rumänischsprachige Kultur überhaupt entstanden und angesichts der ästhetischen Vorgaben im diktatorisch regierten Ungarn bewusst in gefälligem Ton abgefasst, enthielt es damals dennoch Kühnheiten, die zum sofortigen Verbot des Werks führten. Wir mögen heute selbstherrlich über die Furcht der Machthaber schmunzeln, die subversiven Obertöne dieser "politisch inkorrekten" Musik vernehmen die Hellhörigen aber immer noch: Unerschöpflich wirken die Quellen, die in der Volksmusik des Balkans sprudeln und die neugierige Komponisten den Landleuten persönlich abgelauscht haben, um von ihnen zu lernen. Das war schon bei Joseph Haydn so, auch wenn er für das kunstsinnige bürgerliche Pariser Publikum geschrieben haben sollte wie im Falle seiner Pariser Symphonien, und später eben bei Bartók und Ligeti. Mehr als nur ferne Echos davon geistern auch durch die Musik von Ligetis Freund und Studienkollegen György Kurtág, dem nach dem ungarischen Volksaufstand 1956 die Flucht nach Österreich knapp nicht gelungen ist und der erst 1981 seinen internationalen Durchbruch erleben konnte: Unerbittlich aufs Wesentliche reduziert, erzählen seine Werke gleichsam mit kleinen Worten von großen Dingen, sind aufgeladen mit Gesten, Bildern, Emotionen. Ein ideales Programm für die faszinierende Allround-Musikerin Barbara Hannigan mit ihrem besonderen, aber nicht ausschließlichen Faible für die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts: Die international gleichermaßen gepriesene Sopranistin und Dirigentin feiert an diesem Abend ihr doppeltes Debüt beim RSO Wien.
Walter Weidringer