Claudio Abbado Konzert "Chaos und Ekstase"
Einleitung zu "Die Schöpfung" Hob. XXI/2
Kompositionsauftrag von RSO Wien, Wien Modern und hr-Sinfonieorchester
Kompositionsauftrag von RSO Wien, Wien Modern und hr-Sinfonieorchester
Kompositionsauftrag von Wien Modern
Kompositionsauftrag von Wien Modern
Duncan Ward |
Dirigent
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Agata Zubel |
Sopran
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Tim Schomacker |
ImprovisierSchrank
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Freund/in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung
Rainer Koehl
Chaos und Ekstase
Im 31. Jahr seines Bestehens darf ein Festival wie Wien Modern einmal auf Nummer Sicher gehen. Oder nicht? Lieber nicht, sagte Festivalleiter Bernhard Günther und plante ein fünfwöchiges Festival rund um das Thema "Sicherheit" – um diesen vorderhand politischen Begriff so grundsätzlich in Frage zu stellen, wie man es sich von zeitgenössischer Musik erwartet.
"Musik", schreibt Günther, "ist geradezu abenteuerlich gut dazu geeignet, um zu spüren, wie Kontrolle und Freiheit, Sicherheit und Risiko, Vorsicht und Wagemut einander in der Balance halten: Nichts wäre langweiliger als ein Konzert, bei dem alle nur an Vorsicht, ständige Sicherheit und das perfekte Einhalten strenger Regeln denken."
Und was würde ängstlichem Sicherheitsbedürfnis stärker im Wege stehen als Chaos und Ekstase, jene zwei wilden Begriffe, mit denen das erste Festivalkonzert des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien überschrieben ist? Duncan Ward, der 29-jährige britische Dirigent, der bereits vor zwei Jahren über Nacht beim Wien-Modern-Konzert des RSO Wien einsprang, eröffnet das Programm mit der "Vorstellung des Chaos", der berühmten Einleitung aus Haydns "Schöpfung", die zeigt, dass es vor mehr als zwei Jahrhunderten schon genügte, die Grundtonart bis zum letzten Takt hinauszuzögern, um das Gefühl von Orientierungslosigkeit und damit von Chaos zu erzeugen. Die letzte halbe Stunde gehört dem russischen Komponisten und Mystiker Alexander Skrjabin und seinem "Poème de l’Extase".
Drei Uraufführungen bilden das Kernstück des RSO-Konzertes. Friedrich Cerhas "Drei Situationen" stellen so etwas wie das Gegenstück zu Skrjabins ausladendem "Poème" dar. Der Komponist, dem Festival seit über drei Jahrzehnten eng verbunden, hält fest: "Nach den Orchesterstücken Nacht und Eine blassblaue Vision mied meine Phantasie zusehends die schroffen klanglichen Gegensätze zwischen den einzelnen Orchestergruppen. Mich interessierten neuerdings viel mehr die feinen Differenzierungen innerhalb eines homogenen Klangkörpers. Und so entstanden diese drei Stücke für 50 Streicher."
Die zweite Novität ist im Auftrag des RSO Wien, Wien Modern und dem Symphonieorchester des Hessischen Rundfunks entstanden. Der deutsche Komponist Nicolaus A. Huber widmet sein Werk "… der arabischen 4" – gemeint ist die Zahl, ein Symbol der Vollkommenheit. Hubers Musik vermittelt zwischen islamischen und europäischen Einflüssen und unterbricht sich sieben Mal, um einem Gelächter der pakistanischen Menschenrechtsaktivistin Sabatina James Raum zu geben, "voll Wissen, Erfahrung, Reserviertheit und Freundlichkeit". Ein Stachel, denn Sabatina James lebt, nachdem sie sich vom Islam losgesagt und Todesdrohungen erhalten hat, inzwischen im Untergrund.
Schließlich Hans-Joachim Hespos, der Freigeist aus Norddeutschland, dessen Partituren in ihrer Offenheit und Poesie immer wieder für Irritationen sorgen. "Tapis fou" heißt sein für Wien Modern geschriebenes Orchesterwerk – nach den farbenprächtigen marokkanischen Teppichen. Impressionistische Klangmalerei? Wer den Untertitel des Werkes liest, wird unsicher: Symphonische Szene für Sopran, ImprovisierSchrank und ausgeräumtes Orchester mit Gelegenheitsdirigent. Den ImprovisierSchrank, ein auf den ersten Blick unansehnliches Küchenkastl, bringt Tim Schomacker mit, den exaltierten Solopart übernimmt Agata Zubel, die 2018 im Rahmen von Wien Modern den Erste Bank Kompositionspreis verliehen bekommt. So viel ist sicher.
Christoph Becher