Metzmacher / Cerha
Ingo Metzmacher |
Dirigent
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Freund/in des RSO & Ö1 Club-Ermäßigung
Harald Hoffmann
Friedrich Cerhas »Spiegel«
Als György Ligeti 1960 einmal zu Gast bei Friedrich Cerha war, fiel sein Blick auf den Stapel Notenblätter, an denen Cerha gerade arbeitete. Entgeistert wandte er sich an seinen Freund: »Was ist das? Du komponierst ja mein Stück!«
Cerha hat diese Geschichte oft erzählt. Sie belegt, dass kompositorische Ideen, die in der Luft liegen, auch von zwei Komponisten unabhängig voneinander aufgegriffen werden können. 1960 schlug die Stunde dessen, was die Musikgeschichte etwas hilflos »Klangkomposition« genannt hat. »Hilflos« deswegen, weil sich jede Komposition auch über den Klang mitteilt. Und doch trifft dieser Begriff gut den Wechsel von der seriellen Musik à la Pierre Boulez mit ihrer peniblen Bestimmung von Tonhöhen und Rhythmen hin zu den Werken Ligetis und Cerhas, in denen Struktur durch das Mäandern von Klangblöcken entsteht. Friedrich Cerha, Jahrgang 1926, begleitet das RSO Wien seit dessen Gründung 1969 als Komponist, lange auch als Dirigent. In den letzten Jahren hat der Doyen der österreichischen Gegenwartsmusik ein fantasievolles Orchesterwerk nach dem anderen komponiert, die meisten davon hob das RSO Wien aus der Taufe. Höchste Zeit also, sich wieder einmal seinem orchestralen Hauptwerk zuzuwenden, den »Spiegeln I–VII«, die Ligeti seinerzeit die Schweißperlen auf die Stirn getrieben hatten und die Cerha mit dem RSO Wien 1972 in Graz uraufführte: sieben großorchestrale Klanggemälde, die zum Eindrücklichsten gehören, was die heimische Neue Musik zu bieten hat.
Voller Bewunderung schrieb Cerhas Schüler, Georg Friedrich Haas: »Die Sprache dieser Musik war radikal neu, als das Werk komponiert wurde. Dieses neue Material ist aber nicht aus einem akademischen Wunsch entstanden, auf experimentellem Weg bis jetzt unerforschte Klangmaterialien zu erproben. Dieses Neue ist – wie alles Wesentliche in der Musikgeschichte – das Ergebnis eines ungebändigten Expressionismus.«
Christoph Becher