Chan, Kremer / Andre, Gubaidulina, Rachmaninow
Gidon Kremer |
Violine
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Elim Chan |
Dirigentin
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Freund/innen des RSO Wien & Ö1 Club- Ermäßigung
Angie Kremer

Musikalische Opfer
Elim Chan, die Chefdirigentin des Antwerpener Sinfonieorchesters, hatte ursprünglich Medizin studiert, bevor der Ruf der Musik nicht mehr zu überhören war. Seitdem schwingt sie mit großem Erfolg den Taktstock anstatt eines Skalpells. Die Gewinnerin der Donatella Flick LSO Conducting Competition war u. a. Assistant Conductor des London Symphony Orchestra, ist seit 2018 feste Gastdirigentin des Royal Scottish National Orchestra und dirigiert regelmäßig die renommiertesten Orchester Europas. Das RSO Wien führt durch »Echographie«, ein kurzes Orchesterwerk von Mark Andre, gefolgt von einem Geigenkonzertklassiker der Moderne: Sofia Gubaidulinas »Offertorium«. Solist ist Gidon Kremer, der Widmungsträger des Konzertes, welches er in Wien vor gut vierzig Jahren aus der Taufe hob. »Offertorium« beginnt mit der thematischen Zelle, dem Doppelverweis auf Bachs »Musikalisches Opfer« via Anton Weberns »Ricercar«, welche dann frei variiert wird, von hinten und vorne je um eine Note gekappt. Inmitten der Variationen: eine auftauchende Insel himmlisch-lyrischer Zärtlichkeit.
Nebst seiner »Zweiten Symphonie« und den mittleren Klavierkonzerten sind die »Symphonischen Tänze« einer von Rachmaninows orchestralen Dauerbrennern im Konzertwesen. Rachmaninow komponierte sie auf Long Island, 1940: Der Zweite Weltkrieg wütete schon, aber Rachmaninows alte russische und neue amerikanische Heimat waren noch nicht in den Krieg eingetreten. Ganz grob geht es um das Rätsel der Sphinx (»Was geht am Morgen auf vier Füßen, am Mittag auf zweien und am Abend auf dreien?«): drei symphonische Sätze über Jugend, Erwachsenen- und Greisenalter. Allerdings verwarf Rachmaninow jegliche programmatische Beschreibungen – selbst die eine Zeitlang gewählten, schon recht allgemeinen Titel: »Morgen«, »Mittag« und »Abend«. Der erste Satz hat noch Hummeln im Hintern, der zweite ist ein gepflegter Walzer, der dritte seufzt oft, lässt das Dies irae an- und schließlich Todesglocken erklingen, nicht ohne allerdings einen recht schwungvollen Tanz mit dem Tod, quasi eine Tarantella, auf die Bretter zu legen.
Jens F. Laurson