Die Abokonzerte des RSO Wien im Konzerthaus in der Saison 21/22 kombinieren - wie das dem RSO Wien entspricht - Werke der Romantik und der klassischen Moderne mit zeitgenössischen: von Rachmaninow zu Anna Clyne, von Anton Bruckner zu Unsuk Chin, von Leonard Bernstein zu Friedrich Cerha. Zusätzlich präsentiert sich das RSO Wien mit Dirigentinnen und Dirigenten von Weltruf: Neben der Chefdirigentin selbst stehen Ingo Metzmacher, Markus Poschner und Elim Chan am Pult.
Alsop, Ólafsson / Adès, Bernstein
Ari Magg

Víkingur Ólafsson
Thomas Adès: In Seven Days (2008) ÖEA
Leonard Bernstein: Symphonie Nr. 3 „Kaddish“ (1963)
für Orchester, gemischten Chor, Knabenchor, Sprecherin und Sopran Solo
Preisträger/innenwerk des Kompositionswettbewerbes „Spheres of a Genius“ UA
Als wenige Wochen vor der Uraufführung seiner Symphonie "Kaddish" der amerikanische Präsident John F. Kennedy ermordet wurde, widmete Bernstein ihm sein Werk. Viele Jahre haderte er mit seiner Symphonie – nicht mit der suggestiven, kantigen Musik, sondern mit dem Text, den Bernstein selbst verfasst hatte. Chefdirigentin Marin Alsop hat sich für die Urfassung entschieden, in der eine Sprecherin vorgesehen ist.
Das Konzert wird eröffnet mit dem Preisträgerwerk eines Kompositionswettbewerbes, den das »Jam Music Lab« gemeinsam mit dem RSO Wien ausrichtet. Gesucht wird eine Jazz-Komposition, die sich mit dem Schaffen von Leonard Bernstein auseinandersetzt, der mit seiner Musik Jazz-Fans wie klassisches Konzertpublikum erreichte. Auch der Brite Thomas Adès ist mit Avantgarde wie mit Jazz aufgewachsen. Im Konzerthaus ist sein zweites Klavierkonzert zu hören. »In Seven Days« zeichnet er die Schöpfungsgeschichte als Variationensatz nach: eine mitreißende Partitur, die als Solisten den isländischen Shootingstar Víkingur Ólafsson erstmals zum RSO Wien führt.
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Metzmacher / Cerha
Harald Hoffmann

Ingo Metzmacher
Friedrich Cerha: Spiegel I-VII (1961)
Friedrich Cerha, Jahrgang 1926, begleitet das RSO Wien seit dessen Gründung 1969 als Komponist, lange auch als Dirigent. In den letzten Jahren hat der Doyen der österreichischen Gegenwartsmusik ein fantasievolles Orchesterwerk nach dem anderen komponiert, die meisten davon hob das RSO Wien aus der Taufe. Höchste Zeit also, sich wieder einmal seinem orchestralen Hauptwerk zuzuwenden, den »Spiegeln I–VII«, die Ligeti seinerzeit die Schweißperlen auf die Stirn getrieben hatten und die Cerha mit dem RSO Wien 1972 in Graz uraufführte: sieben großorchestrale Klanggemälde, die zum Eindrücklichsten gehören, was die heimische Neue Musik zu bieten hat.
Voller Bewunderung schrieb Cerhas Schüler, Georg Friedrich Haas: »Die Sprache dieser Musik war radikal neu, als das Werk komponiert wurde. Dieses neue Material ist aber nicht aus einem akademischen Wunsch entstanden, auf experimentellem Weg bis jetzt unerforschte Klangmaterialien zu erproben. Dieses Neue ist – wie alles Wesentliche in der Musikgeschichte – das Ergebnis eines ungebändigten Expressionismus.«
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Poschner / Chin, Bruckner
Volker Weihbold

Markus Poschner
Unsuk Chin: Subito con forza (2020) ÖEA
Anton Bruckner: Symphonie Nr. 3 d-Moll ( Urfassung 1873)
Markus Poschner setzt seinen Bruckner-Zyklus beim RSO Wien mit der Dritten fort, und zwar mit der Urfassung, die Zitate aus »Tristan und Isolde« sowie dem »Ring des Nibelungen« enthält. Wie so oft glättete Bruckner auch dieses Werk, kürzte die Sätze und entfernte die Wagner-Zitate. Heute überzeugen gerade die ungezügelten Urfassungen seiner Musik. Gustav Mahler jedenfalls war von Bruckners Dritter, nachdem er die vom Komponisten dirigierte Uraufführung gehört hatte, so angetan, dass er sogleich einen Klavierauszug erstellte. Zum Einstand in dieses Konzert dirigiert Markus Poschner ein neues Orchesterwerk der Komponistin Unsuk Chin, die nach Isang Yun zu den international bedeutendsten koreanischen Komponistinnen zählt. »Subito con forza« entstand im Auftrag des Concertgebouworkest anlässlich des Beethoven-Jubiläums und bleibt auf Tuchfühlung mit dem Jubilar, genauer: zu seinen Konversationsheften. Beethoven-Zitate aber hat sich die Komponistin verkniffen, und auch ein Gelage mit dem als trinkfest bekannten Meister blieb ihr erspart.
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Alsop, Feng / Eisendle, Korngold, Dvořák
Felix Broede

Ning Feng
Hannah Eisendle: Neues Werk UA
Auftragswerk des RSO Wien
Erich Wolfgang Korngold: Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35 (1945)
Antonín Dvořák: Symphonie Nr. 7 d-Moll, op. 70 (1885)
Dvořáks siebte Symphonie eröffnet jene Phase des tschechischen Komponisten, in der er die Konzertsäle der Welt dauerhaft eroberte. Den Anstoß zu dem Werk gab Johannes Brahms. Nachdem Dvořák dessen dritte Symphonie gehört hatte, beschloss er, sich noch einmal dieser Gattung zuzuwenden. Die Folge war ein Kompositionsstil, in dem ein dunkler, zuweilen drohender Tonfall durch melodische Phantasie, folkloristische Anleihen sowie durch eine verästelte symphonische Architektur ausbalanciert wird. Eine Symphonie, der ein ebenbürtiger Platz zwischen den berühmteren Schwesterwerken gebührt. Seinen Platz im Kernrepertoire hat das Violinkonzert von Erich Wolfgang Korngold längst eingenommen. Vor der Verfolgung in Europa in die USA geflohen, schwor Korngold für die Dauer dieses Alptraums nur noch für Hollywood zu schreiben. Nach dem Krieg kehrte er mit dem Violinkonzert in die Konzertsäle zurück. Eröffnet wird das Konzert von der jungen Wiener Komponistin Hannah Eisendle, die in ihrer Heimatstadt sowie in Hamburg studiert hat und die von Marin Alsop und dem RSO Wien zu diesem neuen Werk beauftragt worden ist.
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Alsop, Shaham, Finley / Varga, MacMillan, Bartók
Mody Salman

Rinat Shaham
Judit Varga: Around a Roundabout
für großes Orchester
James MacMillan: The Confession of Isobel Gowdie (1990)
Béla Bartók: Herzog Blaubarts Burg op. 11 (1911-1918)
Im Jahr 1662 wurde die Bäuerin Isobel Gowdie in Auldearn als Hexe angeklagt. Ihr Geständnis, ob unter Folter oder freiwillig abgelegt, ist in allen Details überliefert; ihre Hinrichtung dagegen war seinerzeit nicht einmal mehr aktenwürdig: eines von 4.500 Opfern im Schottland der Reformation. James MacMillan hat Isobel Gowdie 1990 ein Requiem komponiert, das die Ermordete zugleich um Vergebung bittet – mit Klängen, die Gewalt und Schrecken eben - so hörbar machen wie Mitgefühl und Trauer, alles vor dem Hintergrund der Highlands. Ist es der Bann des Unheimlichen, der die beiden Werke dieses von Marin Alsop geleiteten Abends verbindet – oder das Motiv der starken Frau im Angesicht verunsicherter Männlichkeit? Vielschichtig und tiefgründig entfaltet sich jedenfalls auch »Herzog Blaubarts Burg«, Béla Bartóks einzige, 1918 uraufgeführte Oper, in der Judit ihrem Mann Blaubart in dessen Burg und/oder Seele folgt und dort geheime Türen aufschließt: ein elektrisierendes Kammerspiel, das durch Bartóks ökonomisch ersonnene und zugleich überaus opulente, packende Musik auch im Konzertsaal seine volle dramatische Kraft entfaltet.
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Chan, Mustonen / Clyne, Martinů, Rachmaninow
Outi Tormala

Olli Mustonen
Anna Clyne: This Midnight Hour (2015)
Bohuslav Martinů: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 H 316 (1948)
Sergej Rachmaninow: Symphonie Nr. 3 a-Moll (1935-1936)
Ein schwermütiges, zwischen drei Tönen kreisendes Motto eröffnet Sergej Rachmaninows 3. Symphonie – und dahinter öffnet sich ein Kosmos der Leidenschaften mit schwärmerischer Melodik, Rhythmuskapriolen und düsteren Abgründen, als wär’s die innige Beschwörung einer Welt von Gestern, die es so vielleicht nie gegeben hat, nach der die Sehnsucht aber desto stärker ist. Rachmaninow saß zwischen allen Stühlen: in den USA ein russischer Einwanderer, in der alten Heimat ein Amerikaner; als Klaviervirtuose nicht glamourös, sondern von Lampenfieber geplagt. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg spielt auch Bohuslav Martinů noch – oder wieder – mit demselben spätromantischen Kartendeck in seinem Klavierkonzert Nr. 3, hat allerdings auch ein paar klassizistische Joker hineingemischt. Am 10. März 1948, dem Tag des ungeklärten Todessturzes von Jan Masaryk im Zuge der kommunistischen Machtübernahme in Prag, vollendete Martinů das Konzert – und kam in der Folge vom Plan seiner Rückkehr in die alte Heimat ab. Zwei wenig bekannte, neu zu entdeckende Werke, für die der Finne Olli Mustonen am Klavier und die aus Hongkong stammende Dirigentin Elim Chan am Pult des RSO plädieren.
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